44: Philosophische Gedanken zur Korruption

Als Ausländer bin ich gewillt mich in das Land, in dem ich mich aufhalte, so gut wie möglich zu integrieren. Genau so wie wir dies in Deutschland ja mittels Integrationskursen und Einbürgerungstest von unseren nicht deutschen Mitbürgern erwarten.

Ich sehe mich als Gast in China und es ist nicht meine Erwartungshaltung, dass hier alles so läuft wie in Deutschland. Und das soll es ja auch gar nicht. Dass wäre ja noch schlimmer, wenn die Chinesen so miesepetrig und unfreundlich durch die Gegend rennen würden, wie die Deutschen es großteils in good old Germany tun.

Trotzdem gibt es Dinge die ich aus innerer Überzeugung ablehne. Korruption ist eines dieser Dinge. Blöderweise ist die Welt nicht so schwarz und weiß. Was ich in meinem Arbeitsumfeld beobachtet habe ist das Folgende:

Der Kunde ist König. (Und der Kunde hat immer Recht – aber das ist eine andere Baustelle… für ein eigenes Kapitel) Die Zufriedenheit des Kunden ist das Ziel auf das es hinzuarbeiten gilt, in erster Linie selbstverständlich inhaltlich, in zweiter Linie aber auch auf der zwischenmenschlichen Ebene. Beides geht Hand in Hand. Hat man eine gute Beziehung zu den Kunden lassen sich auch manche Probleme unerwartet unkompliziert lösen und umgekehrt.

Das große Problem des Themas Bestechlichkeit ist der überaus große Graubereich. Sprich in der chinesischen Geschäftswelt ist es völlig normal, dass der Kunde (wenn es zeitlich passt) nach der Besprechung zum Essen eingeladen wird. Bei diesem Essen werden dann auch häufig kompliziertere Themen angesprochen und nicht selten unbürokratisch gelöst. Dieses Verhalten führt aber auf Dauer zu einer Erwartungshaltung und wird dann wiedererwartend mal nicht zu einem Essen eingeladen führt dies unter Umständen zu spürbaren Konsequenzen auf der Geschäftsebene. Und selbstverständlich gilt: je höher die beteiligte Hierarchieebne, desto üppiger muss das Essen ausfallen, sonst werden die Erwartungen schon enttäuscht mit den genannten möglichen Folgen für die Geschäftsebene.

Ebenfalls in die selbe Kategorie gehören die quasi obligatorischen Werbegeschenke. Und was auf den unteren Ebenen im kleinen anfängt schaukelt sich dann Ebene für Ebene auf, denn es kann auf jeden Fall nicht angehen, dass ein Vorgesetzter die gleichen Werbegeschenke zugedacht bekommt wie seine Untergebenen. Die Folgen, kann man in inter-nationalen Zeitungen nachlesen, sodass dann zur Gewinnung eines größeren Auftrages durchaus mal ein Wochenende auf der Luxusyacht in der Karibik drin sein muss oder ein kleiner niedlicher Ferrari. Dokumentierte Beispiele gibt es derlei genug.

Das ganze Vorgehen läuft unter dem stehenden Begriff Guanxi, Wikipedia schreibt dazu das folgende:

„Guanxi (關係 / 关系) bezeichnet das Netzwerk persönlicher Beziehungen, von dessen Wirken in China kaum eine Entscheidung unbeeinflusst bleibt. Verträge und Absprachen werden nur als eine Richtschnur gesehen, von der im Zweifelsfall abgewichen werden darf. Guanxi ist ein vielschichtiges Wort. Im Wörterbuch ist es mit Verbindung, Beziehung übersetzt.

Guanxi-Beziehungen basieren nicht auf Verbindungen zwischen Personengruppen oder Institutionen, sondern immer auf Beziehungen zwischen einzelnen Personen. Bestehen zu einer anderen Person gute Beziehungen, können Kontakte zu weiteren Personen aus dessen Beziehungsgefüge geknüpft werden. Normalerweise wird ein Vermittler allerdings nur Personen miteinander bekannt machen, denen er vertraut, weil er mit seinem Gesicht einsteht. Das Vertrauensverhältnis muss dann erst langfristig aufgebaut werden, beginnt jedoch auf einem höheren Niveau.

Das Beziehungsnetz wird unter Chinesen für Ausländer kaum bemerkbar eingesetzt. Beziehungen können daraus resultieren, dass zwei Personen im gleichen Dorf gewohnt oder an der gleichen Universität studiert haben. Guanxi stehen immer in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Wer eine Gefälligkeit erbittet, muss irgendwann auch eine Gegenleistung erbringen. Dabei spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Überdies müssen sie ständig gepflegt werden.

Gegenseitige Gefälligkeiten sind der entscheidende Faktor zum Erhalt des Guanxi-Netzes. Das versagen, sich zu revanchieren wird als eine unverzeihliche Beleidigung angesehen. Je mehr man von jemandem erbittet, desto mehr ist man demjenigen schuldig. Guanxi kann als ein endloser Zyklus von Gefälligkeiten betrachtet werden.“