33: Disco – Gemütlicher Würfelabend unter Freunden
Ich glaube schon mal irgendwo erwähnt zu haben, dass der gemeine Chinese es gerne laut mag, egal ob Autoradio, Kaufhausbeschallung, Handygespräch in der Metro, Straßenlärm (Hupen!!!), jede sich bietende Chance wird zum Lärm machen genutzt. Mit diesem Hintergrundwissen überrascht es nicht wirklich, dass ich das Gefühl hatte, die chinesischen Discotheken sind lauter als die deutschen, vielleicht täusche ich mich aber auch. Ansonsten will ich mal als ausgewiesener Discothekenszenenkenner zum Besten geben, was ich hier so beobachtet habe:
Also zuerst mal gibt es in den meisten großen Städten je mindestens eine lange Straße für verschiedene Dinge. Das meint, es gibt hier eine Straße wo man auf mindestens 500 m nur mit Klamotten zugeschmissen wird. Dann gibt es irgendwo anders eine Straße in grün nur für Elektronik, wieder wo anders nur für Lebensmittel, nur für Brillen, nur für Fotozeug, usw. Das bedeutet nicht, dass man die Dinge nicht auch woanders bekommen kann, aber dort ballt es sich halt auf‘s extremste. Das habe ich in Europa so in der Form noch nie erlebt, von der Herbertstraße mal abgesehen.
So, und natürlich gibt es dann auch eine Straße nur mit Discotheken. In Nanjing waren es mindestens 15 entlang der entsprechenden Straße.
Beobachtung No. 2: Für keinen der Schuppen muss man Eintritt zahlen. Die Dinger sind trotzdem oder deswegen (?) voll, rappelvoll, alle.
In Deutschland muss man ja manchmal Glück haben bis man einen Schuppen mit geeigneten Leuten findet, der auch angemessen gefüllt ist. In China scheint das Problem eher anders herum zu existieren, eine Lokalität zu finden wo noch ein Plätzchen über ist.
Ich weiß nicht warum, aber fast alle Zappelschuppen sehen aus wie ein Lampenladen im dem 150 mal das gleiche Schirmlampenmodell an der Decke hängt. Modell 18. Jahr-hundert mit Butzenglas, aber mit neuester Special-Effekts-Lichttechnik dahinter. Die Wände sind vollflächig und zusammenhängend mit großen Flachbildschirmen tapeziert, über die abstrakte und tlw. psychedelische Farbmuster laufen.
Was auch sofort ins Auge fällt ist, dass es jede Menge Stehtische und fein säuberlich, mit einem hüfthohen Holzzaun abgetrennte Sofaecken gibt, in denen man öffentlich unter sich sein kann. Was fehlt sind zwei Dinge: eine Bar und eine Tanzfläche. Sollte doch mal eine Tanzfläche vorhanden sein, hat sie bisher in noch keinem Laden die Größe von 5 qm überschritten.
Auf jedem Tisch steht eine Standardgrundausstattung von Obstschale und alkoholischen Getränken. Wie das Bezahlsystem dahinter funktioniert habe ich nicht anzatzweise durchdrungen. Ich weiß nur, dass es für mich aufgrund der fehlenden Bar sehr schwierig war, an eine Flasche Bier zu kommen… Den Preis für eine Flasche Budweiser fand ich mit 50 RMB (ca. 6 €) überraschend hoch.
Ab und zu springt dann ein Coverkünstler auf die 5 qm Tanzfläche / Bühne und gibt chinesische oder internationale Chartmusik zum Besten, gern genommen: Musik von Lady Gaga. In manchen Diskotheken mussten dann noch die Mädels von der Animationsabteilung ran, die so knapp bekleidet waren, dass die Damen auf der Herbertstraße vermutlich rot anlaufen würden.
Und die anwesenden Leute haben scheinbar alle nur eines im Sinn: Würfeln. Da die Chinesen mit einer Hand bis 10 zählen können, gestikulieren sie wie besessen zu einer chinesischen Abwandlung des Trinkspiels Schummelmäxchen.
Alle die nicht würfeln, stehen oder sitzen wie bekloppt unbewegt in der Landschaft rum und tippen irgendwas in ihr Smartphone, gerne auch 5 Leute direkt nebeneinander…
Der obligatorische indische Rosenverkäufer ist inzwischen auch in China angekommen.


