37: Ayi – Haushaltshilfe
In Shanghai ist es nicht nur unter Langnasen, sondern auch bei zu Geld gekommenen Chinesen üblich, Hausangestellte zu halten. Es gibt Familien, welche eine Putzfrau, ein Kindermädchen, einen Koch und einen Fahrer haben. Da ich es aus Deutschland gewohnt bin alles selber zu machen war mein Verlangen nach Unterstützung dieser Art nicht zu ausgeprägt. Zumal ich keine Kinder habe und zum Essen auch eher gerne mal das Haus verlasse.
Blieb also die Putzfrau, irgendwie wollen die 160 Quadratmeter schließlich sauber gehalten werden. Ayi‘s (Haushaltshilfe) werden in Shanghai überwiegend per Empfehlung vermittelt. So bekam ich meine Ayi über meinen französischen Kollegen Gérald. Ms Zheng arbeitete seit geraumer Zeit für seine Familie und hatte mit den beiden kleinen Kindern auch alle Hände voll zu tun. Gérald erzählte mir, dass dies seine 4. Ayi sei. Die anderen 3 hat er nach diversen Eskapaden vor die Tür gesetzt. Ganz wichtig für mich war der Fakt, dass die Ayi ein wenig gebrochenes Englisch sprach und schrieb. Dieser Umstand treibt, ganz kapitalistisch, dank Angebot und Nachfrage, den Preis um Faktor zwei in die Höhe. Aber dennoch war der Stundenlohn mit ca. 3€ noch überschaubar.
Eins vorneweg, ich mag die Frau, aber ein paar Aktionen waren schon echt der Brüller…
Die meisten Dinge habe ich auch in der Kategorie Lustig archiviert, so zum Beispiel die folgende Auffälligkeit: das kleine Familienbild stand, nachdem Sie da war, immer ganz in der äußersten Ecke der Abstellfläche. Dies war wohl als Beweis gedacht, dass auch dieses mal wieder die Fläche staubgewedelt wurde. Ich habe es dann, deutsche Gründlichkeit, immer wieder in die Mitte gestellt, dreimal jede Woche…
In einem anderen Fall hatte ich ein bügeleisenförmiges Dreieck auf einem meiner Oberhemden, sah lustig aus. Ehrlichgesagt war ich glücklich, denn dies war das erste Hemd welches ich auf einem chinesischen Fakemarkt gekauft habe und es hatte die Haptik und die Atmungsaktiviätät einer Alditüte.
Sie „bettelte“ bitterlich darum, es mir bezahlen zu dürfen, ich glaube sie hätte im Zweifel einen halben Monatslohn geopfert.
Weniger amüsant fand ich es als, sie beim Waschen aus Versehen einen großteil meiner Unterwäsche in ein satten Blauton färbte. Das war die deutsche Unterwäsche von Schießer…
Krass fand ich auch die Feststellung, dass sie meine Unterhosen bügelt. Es wäre mir nicht aufgefallen, wenn ich nicht eines Tages deutlich früher nach Hause gekommen wäre und sie noch am Bügelbrett gestanden hätte, dabei meine Socken und Unterhosen zu bügeln.
Unschätzbare Dienste hat sie mir erwiesen, als sie mir meine Post erklärt und bezahlt hat. Ich habe jede Menge Post bekommen, mindestens 4 bis 5 Briefe in der Woche. Die allermeisten davon allerdings an meinen Vormieter adressiert. Ich hatte erhebliche Schwierigkeiten aus dem Poststapel die Gas / Strom / Wasser / Telefonrechnungen zu identifizieren, was auch promt dazu geführt hat, dass man mir nach 4 Monaten das Internet ausgeknipst hat… Naja, seitdem habe ich sie dann gefragt was muss ich wofür bezahlen und habe ihr dann das Geld in die Hand gedrückt. Mehr als einmal schaute sie mich unglücklich an, denn die Zahlungsfrist war überschritten und sie musste zum Zahlen irgendwo ans andere Ende der Stadt fahren.
Womit ich auch nicht gerechnet hatte war, dass sie vor ihrer Woche Urlaub zum Mondfest (mit Heimaturlaub) ein Monatsgehalt extra von mir haben wollte. Einfach so. Und dann war sie ja auch noch zwei Wochen am Stück nicht da, wobei ich ihr diese Zeit auch noch bezahlen sollte. Und ich dachte immer ich würde sie auf Stundenbasis bezahlen. Aber es war nichts zu machen, sie hat eisern solange auf ihr Geld bestanden bis ich alles auf den Tisch gelegt hatte. Mein Kollege meinte danach nur trocken: im ersten Jahr hat er die selben Augen gemacht wie ich jetzt. Aber es sei das reguläre Prozedere.
Für mich sehr gewöhnungsbedürftig war auch, von ihr immer und ausschließlich mit „Sir“ angesprochen zu werden (OK – mein Nachname mag ein überzeugender Grund für die Alternativverwendung von „Sir“ sein). Wobei die meiste schmale Kommunikation eh über Zettel und SMS lief, da sie zu der Zeit knechtete zu der auch ich am knechten war.
Aber wehe wenn nicht, ich war leider nicht dabei, als mein deutscher Besuch im Schlafanzug durch die Wohnung gesprungen ist und auf einmal die Wohnungstür aufging und meine Ayi im Wohnzimmer stand. Die Verblüffung war laut Hörensagen auf beiden Seiten nicht zu übertreffen.


