24: Es mal richtig krachen lassen – Chinese New Year
Es ist bekannt, dass die Chinesen das Schwarzpulver erfunden haben. Und es ist ferner bekannt, dass Tradition verpflichtet. Dies führt im Ergebnis zu einem Spektakel was seinesgleichen sucht. Es gibt übers Jahr gesehen Phasen mit mehr Spektakel und welche mit weniger Spektakel, aber rechnen muss man damit immer.
Sprich, wenn irgendwer Geburtstag hat, eine Hochzeit steigt, ein Nachkömmling geboren wird oder irgendwo ein Geschäft aufmacht ist das Feuerwerk selbstverständlich obligatorisch. Aber auch sonst wird, meiner Beobachtung nach, keine Gelegenheit für ein ordentliches Feuerwerk ausgelassen, und sei es weil im Fernsehen mal wieder nur Mist läuft.
Wie sonst ist zu erklären, dass ich in den knapp drei Monaten die ich nun hier bin mehrmals Sonntag früh zu unchristlichen Zeiten (und alles vor 8 Uhr ist definitiv eine unchristliche Zeit) von einem Feuerwerk aus dem Schlaf gerissen wurde.
Aber das ist alles harmlos im Vergleich zu dem was in der Nationlafeiertagswoche abgeht. Wusstet ihr, dass die Chinesen die Neujahrsraketen, wir wir sie zu Silvester in den Himmel schießen, gar nicht kennen. Ich meine die Dinger die man an einem Holzstöckchen in eine Flasche steckt, anzündet und sich dann über den bunten und formschönen Knall am Firmament freut.
Höhenfeuerwerk gibt es hier selbstverständlich auch, aber halt nicht in so einer erbärmlichen Form, sondern der visuelle und akustische Knalleffekt steckt in einem Pappkarton von den Ausmaßen zweier übereinander gestapelter Bierkisten und hält dann auch schon mal 5 bis 10 min an, mit wirklich ohrenbe-täubenden und wunderschönen Effekten.
Zum Chinese New Year wird defacto 7 Tage am Stück geknallt, rund um die Uhr, mit einer besonderen Steigerung an dem Tag, an welchem das Neue Jahr nach dem chinesischem Mondkallender begrüßt wird. Ich hatte auch noch das Glück das Jahr des Drachen zu begrüßen, was nur alle 12 Jahre der Fall ist und die Geburtenrate wieder besonders ansteigen lassen wird, denn im Jahr des Drachen geboren zu sein bringt Glück.
In dieser Woche, des wichtigsten chinesischen Feiertags, ist Shanghai wirklich außerordentlich ruhig, fast sogar leer. Aber alle Menschen die noch da sind, scheinen nur mit einer Sache beschäftigt zu sein, mit Feuerwerk. Schon nachmittags um fünf Uhr blitzt, funkelt und donnert es schon mehr als in Berlin am 31.12. um Mitternacht. Wobei es zu einem Anschwellen der Intensität zu jeder vollen Stunde kommt.
Eigentlich ist dieser Sonntag der 22. Januar ein schöner klarer und kalter Tag, aber schon um 21 Uhr abends hängen so gewaltige Wolken von Schwarzpulver in der Luft, dass die Skyline darin versinkt.
Ich bin freilich mitten drin statt nur dabei, denn die Jungs von der Security meines Compunds fahren ohne Unterlass neue Munition in der zentralen Einfahrt auf und die meisten Raketen gehen genau vor meinem Wohnzimmerfenster in der 12. Etage auf.
Gestern, am letzten Arbeitstag in der Firma vor der chinesischen Neujahrswoche, einem Samstag, starten die Pendelbusse nicht wie üblich vom Parkplatz sondern direkt vor dem Eingang des Hauptgebäudes. Und zur Feier des Tages wird eine Knallfroschschlange von mindestens 200m verheizt, wobei jeder einzelne kleine Knaller so groß wie mein kleiner Finger ist. Nach der Aktion hatte ich Schwierigkeiten den richtigen Bus in den blauen Nebelschwaden zu finden.


